Beschreibung
Vorwort von Tylman Susato
Den Liebhabern der hohen Kunst der Musik
Tatsächlich ist Tag für Tag eine zunehmend große Anzahl von Adligen von der edlen Kunst der Musik ergriffen und verlockt, diese zu erlernen und auszuüben, indem sie anstelle von anderem überflüssigen Zeitvertreib singen und verschiedene Instrumente spielen, auch um der Melancholie zu entgehen. Dies nun betrachtet und um die Bedürfnisse der Liebhaber und Lernenden der Wissenschaft zu befriedi-gen, um Hilfe zu geben und um die größtmögliche Liebe zu wecken sowie für die kleinstmögliche Ar-beit der Ausführenden, singend oder oft mit Akkorden mit kleiner Begleitung (weil niemand nur sin-gend oder oft ohne Akkorde auf die leichte Art Experte werden und ebenfalls keinen großen Gefallen daran finden kann), war es mir ein Anliegen, diese Liebeslieder zu komponieren, welche man auf zwei Weisen singen kann, zu zweit und zu dritt; zu zweit, indem der Bass beiseite gelassen wird, ebenso wie die Regeln zu diesem angepasst werden, wie sie es demonstrieren. Ein anderer Grund hat mich dazu gebracht, dieses zu komponieren und zu drucken, zum Nutzen der Liebhaber der hohen Kunst, das ist, dass ein neuer Lernender oder Schüler nicht in der Lage ist und sich nicht traut in großer Gesellschaft zu singen. Die Lieder lassen sich aber auch in kleiner Gesellschaft singen, bis der Schüler ein größerer Experte und mutiger für schwierigere Dinge ist und auch in größerer Gesellschaft singt oder ein In-strument spielt. Diese Kunst ist auch sehr gut und heilsam für melancholische und traurige Menschen. Denn unter allen Zeitvertreiben ist dieser der ehrbarste und genussreichste wegen der Harmonie, die den Liebesgedichten entspricht. Nimm also, werter Liebhaber der hohen Kunst der Musik, bereitwillig mein kleines Lehrstück und sei gottesfürchtig.
Nachwort des Herausgebers
Die vorliegenden Chansons waren in der Originalform zur Unterhaltung, zum Singen und als Lehrstücke für Amateure eines „gehobenen“ Standes gedacht. Es gibt 3 Stimmhefte: SUPERIUS, TENOR und BASSUS aus der eigenen Druckerei von Susato. In dieser Form sind sie heute für Amateure schwer musizierbar. Es gibt keine Taktstriche, keine Partitur und neben dem Violin- und Bassschlüssel finden wir auch noch Sopran- Alt- und Tenorschlüssel. Beschwerlich ist der Liedtext in einem Alt-Französisch zu entziffern oder gar zu singen. Es schien mir jedoch lohnenswert, diese Lieder als Trios für Instrumente herauszugeben. Damit lernen die Liebhaber der Renaissancemusik einen ganz anderen Susato kennen, als er durch die Tanzstücklein der DANSERYE bekannt ist. Die Stimmen erhielten eine modernere Notenschrift und nur die gebräuchlichen Schlüssel ViolinBass- und Violinschlüssel-bassa. Auf Taktstriche und eine oft angewandte Halbierung der Notenwerte wurde verzichtet, um nahe am Original zu bleiben. Zusätzlich wurde eine Partitur erstellt. Mit ihr kann man die musikalischen Abläufe besser studieren. Einige Taktzahlen daraus wurden in die Stimmhefte übertragen. Diese entsprechen etwa einem gemeinsamen Punkt an einem Satzende. Zwischen diesen Punkten wird ein gleicher Text deklamiert, jedoch polyphon. Das macht die Musik so interessant. Welche Inhalte die Lieder transportieren sollen, geht jetzt nur noch andeutungsweise aus den Liedanfängen hervor. Es sind, der Mode der Zeit und dem angesprochenen Nutzerkreis entsprechend, Liebeslieder der schmerzlichsten Art. Es wird geseufzt und geklagt und vor Kummer gestorben, wobei der Tod auch als Erlösung oder Rache an der Zurückweisung erwünscht ist. Wie mit solcherlei Text den melancholischen und traurigen Menschen geholfen wird, ist allerdings etwas rätselhaft. Vielleicht hilft aber doch die Versenkung in das Studium der Musik dazu, dass man Abstand zu den eigenen Problemen bekommt. Nimm also, werter Liebhaber der hohen Kunst der Musik, bereitwillig dieses kleine Lehrstück von Herrn Tylman Susato entgegen! Mein Dank gilt Herrn Ricardo Simian von der Schola Cantorum Basel für die fachliche Beratung und Frau Dr. Müller-Böhler, Lörrach, für die Übersetzung der französischen Texte. F. Gesell, Juli MMXVIII